> Protoplasten, zellwandlose Pflanzenzelle <

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> Interview mit Christof Sautter, November 2002 <

Gab es in den letzten drei Monaten einen bedeutenden Durchbruch in Ihrem Projekt?

Ja, ganz klar. Am 13. September hat das UVEK*) unseren Einspruch in allen Punkten gutgeheissen. Der Einspruch richtete sich gegen die Ablehnung unseres Gesuchs für ein Feldexperiment mit unseren gentechnisch veränderten Weizenpflanzen. Mit dem Experiment wollen wir prüfen, ob das KP-Gen auch unter Freilandbedingungen zu einem wirksamen Schutz gegen Brandpilz führt. Das BUWAL**) hat unseren Antrag im November 2001 abgelehnt. Nun können wir jedoch mit der definitiven Bewilligung rechnen. Dies ist ein wichtiger Fortschritt für unser Projekt und für die Beurteilung zukünftiger Freilandexperimente. Insgesamt hatte das BUWAL vier Ablehnungsgründe gegen unseren Feldversuch, die vom UVEK jedoch alle zurückgewiesen wurden. Die Ablehnungsgründe des BUWAL waren:
Erstens. Unser Versuchsweizen enthält Fragmente eines Antibiotikum-Resistenzgens. Dies war für die Vermehrung des Gens im Bakterium wichtig und wird in der Pflanze nicht benötigt. In den Pflanzen liegt es in einer inaktiven Form vor. Die Befürchtung, dass dieses Antibiotikum-Resistenzgen aus dem Pflanzenmaterial von Bodenbakterien aufgenommen wird und dann bei diesen zu einer Resistenzbildung gegen gewisse Antibiotika führt, ist unserer Ansicht nach wissenschaftlich unbegründet. Diese Meinung vertritt auch die EFBS***), die unser Feldexperiment für sicher hält. Dennoch möchte man in Zukunft auf Antibiotika-Resistenzgene****) verzichten und sie nicht mehr in die gentechnisch veränderten Pflanzen einbauen. Diese Ansicht hat sich in der EU durchgesetzt, obwohl die Gefahren, die mit einer verstärkten Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen zusammenhängen, nicht von der Gentechnik ausgehen, sondern vielmehr von einem unsachgemässen Antibiotika-Einsatz in der Medizin oder in der Tiermast stattfindet bzw. stattfand. Zudem sind Antibiotika-Resistenzgene natürlicherweise in Bodenbakterien weit verbreitet. Eine Gefahr durch Ausbreitung mit einem Übertritt von der Pflanze in Bodenbakterien wäre deshalb gar nicht von Bedeutung.
Der zweite Kritikpunkt betrifft die molekulare Charakterisierung. Darunter versteht man unter anderem, dass das neue Genkonstrukt, das in die Pflanzen eingeführt wurde, genau beschrieben wird. Das BUWAL kritisierte, dass wir die Kopienzahl sowie die exakte Lage der neu eingeführten Gene auf den Chromosomen der Weizenpflanzen nicht genau kennen. Diese Angaben sind jedoch für die Biosicherheit in diesem Stadium des Projektes unerheblich. Auch die Experten, welche sich mit dem Experiment befassten, sowie die Experten der EFBS waren der Ansicht, dass die molekulare Charakterisierung für den geplanten Versuch ausreichend ist.
Drittens. Im Gegensatz zum BUWAL bestätigen die Experten der EFBS und des BAG, dass die vorhandenen Experimente zur Toxizitätsprüfung für das KP-Protein auf der jetzigen Projektstufe ausreichend sind. Wir haben z.B. gezeigt, dass das KP-Protein keine hemmende Wirkung auf menschliche Zellkulturen hat.
Schliesslich widersprachen die Experten der EFBS dem BUWAL auch hinsichtlich des vierten Kritikpunktes, dass im Feldversuch ein unzureichender Schutz vor Auskreuzung besteht. Die Möglichkeit einer Auskreuzung besteht deshalb nicht, weil der Weizen ein strenger Selbstbefruchter ist. Die Weizenpollen überleben ausserhalb ihrer Blüten nur kurze Zeit können nur kurze Distanzen überwinden. Im Freilandexperiment werden die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zwischen den gentechnisch veränderten Weizenpflanzen und den umliegenden Kulturpflanzen eingehalten. Zusätzlich werden die Weizenpflanzen zur Zeit der Blüte mit pollendichten Zelten abgedeckt. Die pollendichten Zelte sollen die Nachbarschaft von allergischen Reaktionen schützen, da wir allergische Reaktionen nach dem gegenwärtigen Stand des Projekts weitgehend aber nicht vollständig ausschliessen können. Da die Zelte den Pollenflug verhindern, sind sie gleichzeitig eine zusätzliche Massnahme gegen Auskreuzung. Zusammenfassend kann man sagen, dass das geplante Feldexperiment der heute gültigen Gesetzgebung (Freisetzungsverordnung) entspricht und nach dem heutigen Wissen keine Gefährdung von Mensch und Umwelt zu befürchten ist.
Von der wissenschaftlichen Seite her haben wir in den letzten Monaten in Laborexperimenten zeigen können, dass das KP-Protein auch gegen den Flugbrand (Ustilago tritici) wirksam ist. Dies bedeutet, dass die neuen Weizenpflanzen auch gegen diese Pilzinfektion resistent sein könnten.

*) Departement (= Schweizer Ministerium) für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
**) Bundesamt (= Schweizer Behörde) für Umwelt, Wald und Landschaft
***) Eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit
****) Bevor das gewünschte Genkonstrukt in die Pflanzenzellen eingeschleust wird, müssen viele Kopien davon hergestellt werden. Deshalb vermehrt man es in Bakterien. Für diesen Vervielfältigungsprozess muss das Genkonstrukt jedoch zuvor in die Bakterien eingebracht werden. Um festzustellen, ob die Bakterien das Genkonstrukt auch aufgenommen haben, koppelt man es an ein Markergen, vor dem sich ein bakterienspezifischer Promotor befindet. Bei dem Markergen handelt es sich meist um ein Antibiotikums-Resistenzgen. Da die Bakterien auf einem Antibiotikum-haltigen Nährboden wachsen müssen, können sich nur diejenigen Bakterien vermehren, welche das Markergen und das daran gekoppelte Genkonstrukt aufgenommen haben. Wenn dann nach der Vermehrungsphase das Genkonstrukt wieder aus den Bakterien isoliert wird, dann trennt man das Antibiotikums-Resistenzgen meistens nicht vom restlichen Genkonstrukt ab. Insofern werden beide Elemente zusammen in die zu verändernden Pflanzenzellen eingeführt.



Gab es in den letzten 3 Monaten einen Rückschlag?

Wir haben in unserem Projekt eine Zusammenarbeit mit Indien. Auch in Indien gibt es samenübertragbare Pilzkrankheiten, welche den Weizen befallen, z.B. Flugbrand und Karnal bunt. Da Weizen nicht exportiert werden darf, wenn im Exportland samenübertragbare Pilzkrankheiten verbreitet sind, ist die Kontrolle dieser Pilzinfektionen für Indien wirtschaftlich von Bedeutung. Nach neuerer Einschätzung aber wird der Pilzinfektion Karnal bunt nicht mehr ein so grosser Stellenwert beigemessen. Seine Bedeutung wird von der indischen Stellen heruntergespielt; nicht zuletzt deshalb, um den Export zu ermöglichen. Das BUWAL verschleppt die endgültige Bewilligung unseres Feldversuchs. Da sich die Durchführung des Feldexperimentes mittlerweile schon rund drei Jahre verzögert hat, sind bereits vier wissenschaftliche Mitarbeiter, welche ursprünglich im Projekt tätig waren, nicht mehr am Institut. Eine weitere Verzögerung der Bewilligung für das Experiment würde dessen Durchführung im Jahr 2003 stark gefährden. Wir müssen bereits im Januar mit den Vorbereitungen starten, wenn im März die Aussaat stattfinden soll.


Hat es neue Entwicklungen gegeben, die einen Einfluss auf das Projekt haben?

Obwohl es nicht unsere Absicht war, mit dem Antrag über unser Freilandexperiment in die Diskussion der Gen-Lex (Schweizer Gentechnikgesetz) einzugreifen, so zeigte es sich doch, dass unser Experiment einen gewissen Einfluss auf die Diskussion der Parlamentarier hatte. Man sah ein, dass man bei Freisetzungsversuchen zwischen Experimenten zur Grundlagenforschung und solchen zum grossflächigen kommerziellen Anbau unterscheiden muss. Diese Erkenntnis hat sich in der Ausarbeitung der Gen-Lex für die Forschung positiv nieder geschlagen. In Zukunft dürften unter der neuen Gesetzgebung Grundlagenexperimente unter strengen Auflagen möglich sein. Vor einem Jahr sah es noch so aus, als ob Feldexperimente in Zukunft gar nicht mehr möglich sein könnten.


Konnten Sie das Ziel, welches Sie sich in den vergangenen Monaten gesetzt haben, erreichen?

Ja, unser Einspruch ist durch das UVEK anerkannt worden. Weiter konnten wir die Finanzierung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters sichern und eine Doktorandin für das KP-Projekt gewinnen.


Was möchten Sie in den nächsten 3 Monaten erreichen?

Als erstes möchten wir die schriftliche Bewilligung für den Feldversuch, um im Januar mit der Vorbereitung des Feldexperiments vor Ort zu beginnen. Die Vorbereitungen müssen bis im März abgeschlossen sein, denn dann beginnt mit der Aussaat unserer Versuchspflanzen das eigentliche Experiment. Das Besondere an dem Projekt wird sein, dass es sich um ein öffentliches Experiment handelt, d.h. es wird eine Begleitgruppe geben mit Vertretern aus Amtsstellen, mit Wissenschaftlern, Bürgern sowie Gentechnikgegnern. Diese Begleitgruppe wird Zugang zu Informationen über die sicherheitsrelevanten Aspekte des Experimentes haben. Die Vertrauensbildung nach aussen ist mir wichtig. Die Begleitgruppe sollte bis in drei Monaten zusammengestellt sein.


Vielen Dank Herr Dr. Sautter für das Interview.

 

Hintergrund Weizenprojekt
Was hat man bis jetzt gemacht und was soll noch gemacht werden? Hier gibt es ergänzende Informationen zum Weizenprojekt.
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